Wie jedes Jahr wurde auch heuer die Linzer Stadtmeisterschaft im September, rechtzeitig vor dem Beginn der oberösterreichischen Mannschaftsmeisterschaft, ausgetragen. Nicht weniger als 71 Schachbegeisterte meldeten sich zur Freude der Veranstalter zu dem siebenrundigen Turnier an. Unser Verein war ebenfalls sehr zahlreich vertreten: An der Spitze der Setzliste waren Florian Sandhöfner und Reinhard Heimberger zu finden, dazu kamen ich (Joachim Dornauer) und Martin Koch. Auch aus unserer Jugendtrainingsgruppe meldeten sich drei Spieler an, um Turnierluft zu schnuppern: Noah Pleimer, Markus Heimberger und Thomas Kim. Im Laufe des Turniers zeigte sich aber für die Jüngsten Noah und Thomas, dass es neben dem Schulbeginn nur schwer möglich ist, am Abend regelmäßig einige Stunden am Schachbrett zu verbringen. Sie spielten deshalb nur ein paar Partien, in denen sie ihr Talent wieder aufblitzen ließen.
Schon in den zweiten Runde zeigte sich an den Spitzenbrettern, dass die vermeintlichen Außenseiter sich gegen die Elo-Favoriten hartnäckig zu wehren wussten. Erfreulichstes Beispiel: Martin brachte die Nummer 4 des Turniers, Radoslav Flasnik, sensationell gleich um den ganzen Punkt! Ein schöner Erfolg für den jungen talentierten Valentiner, allerdings mit einem kleinen Wermutstropfen: Aus beruflichen Gründen konnte Martin zur dritten und vierten Runde nicht antreten.
An den hinteren Brettern konnte Markus seinem elostärkeren Gegner ein hochverdientes Remis abnehmen. Dabei hatte er nach einer etwas verunglückten Eröffnung seinen Gegner im Mittelspiel überspielt und sich sogar noch Gewinnchancen erspielt. Während Florian und Reinhard recht mühelos zu gewinnen schienen, musste ich noch die Endspielverlängerung, um dort den ganzen Punkt zu verbuchen.
Die dritte Runde zeigte ein ähnliches Bild. Florian gewann wieder rasch am ersten Brett. Dahinter gab es ein herzhaftes Gezerre und Reinhard musste gegen den Deutschen Bendel ein Remis abgeben.
Ich konnte eine lange, aber extrem kurzweilige Kampfpartie gegen Milos Modric gewinnen. Nach der fünfstündigen "Sitzung" voller interessanter strategischer und prickelnder taktischer Ideen
verließen wir beide müde, aber gemeinsam lachend den Turniersaal, noch nicht völlig realisierend, was da eigentlich alles geschah. So macht Schach Spaß!
Markus schaffte das Kunststück, gegen einen um fast 500 Elopunkte "überlegenen" Gegner den vollen Zähler einzusacken! Nice!
In der vierten Runde "erwischte" es den Turnierfavoriten Florian zum ersten Mal, und er musste gegen den jungen Deutschen Jonathan Reitemann sein erstes Remis nach etwas ungünstigem Eröffnungsverlauf abgeben. Reinhard und Max Mostbauer einigten sich auf ein freundschaftliches Kurzremis. Ich gewann gegen Christoph Zauner eine etwas verwickelte Partie, in der ich immer etwas Oberwasser hatte, im Endspiel mit einem gelungenen Mattangriff.
Weiter hinten gewann unser Thomas Kim im Duell der Nachwuchstalente gegen den sehr guten Steyregger Alain Mena Cortes. Auch das ein schöner Erfolg!
Fünfte Runde. Das Unausweichliche trat ein und zwei Valentiner spielten an den Spitzenbrettern gegeneinander. Reinhard hatte die schwere Aufgabe, mit Schwarz gegen Florian anzutreten. In einer Sizilianischen Partie gewann der oftmalige Linzer Stadtmeister die Oberhand und Reinhard musste aufgeben.
Ich spielte mit Weiß gegen einen super vorbereiteten Wolfgang Humer. Zwar konnte ich erfolgreich einen Mehrbauern aus der Eröffnung behaupten und auch seinen ersten Ansturm auf meine Stellung erfolgreich abwehren. Meine Restbedenkzeit wurde aber etwas knapp. Weil er es sich nach seinen eigenen Worten auch nicht zutraute, die Partie zu gewinnen, wir einigten uns auf ein Unentschieden.
In der Tabelle führten damit Florian, Humer und ich punktegleich mit 4,5 vor einem Quartett mit 4 Punkten, darunter Reitemann und der Runde um Runde aufholende Flasik.
Am Samstag fanden die beiden finalen Runden statt. Eine am Vormittag, eine am Nachmittag. Das ist schon fast ein Gesundheitstest.
In Runde 6 spielte Florian mit Schwarz gegen Humer remis. Am zweiten Brett hatte ich Schwarz gegen Flasik, und schon bald waren wir in einer Art Grünfeld-Indischer Stellung mit sehr interessanten Problemen gelandet. Mein sehr aktives Figurenspiel kompensierte sein starkes Zentrum mehr als ausreichend. Nach ein paar Figurenabtauschen blieb mir ein sehr aktives Läuferpaar, mit dem ich viel Druck ausübte. Ein Fingerfehler von Weiß genügte, um Material und Partie zu gewinnen.
Reinhard gewann ebenso sicher wie Martin seine Partie. Markus' Gegner erwies als (noch!) überlegen.
Letzte Runde. Ich hatte einen halben Punkt Vorsprung auf die Verfolgungsgruppe. Florian hatte am ersten Brett Schwarz gegen mich und mir war klar, dass er natürlich ein sehr, sehr starker Gegner ist und deshalb auf Gewinn spielen wird. Zufrieden mit dem bisherigen Turnierverlauf ließ ich die Sache recht entspannt auf mich zukommen, auch weil in den letzen Schnellschachpartien mit ihm zu meinen Chancen gekommen war und auch nicht punktelos abziehen musste.
Tatsächlich ließ Florian sich etwas "Neues" einfallen und wich schon bald von seiner Lieblingsvariante ab. Er stand sehr stabil und baute langsam Druck auf der offenen Linie auf. Um meine starken Springer im Zentrum versuchte ich ein Gegenspiel gegen den schwarzen König aufzubauen. Florian schwächte seine Bauernstellung ein wenig, um das Vorrücken meines Bauern zu verhindern. Als sein Angriff sehr gefährlich auszusehen begann, opferte ich eine Figur für ein paar Bauern und einen scharfen Königsangriff. Nach einem Fehler von Schwarz wurde dieser unparierbar. Florian musste die Dame opfern und nach ein paar weiteren Zügen aufgeben. Damit schnappte ich mir tatsächlich den Turniersieg!
Auf dem Nebenbrett konnte Reitemann dem bis dahin ebenfalls ungeschlagenen Humer die erste Niederlage zufügen. Der Augsburger holte sich damit den zweiten Platz in der Turnierwertung. Florian komplettierte als Dritter das Stockerl.
Reinhard gewann gegen Pero Dumancic, der noch zwei Runden vorher gegen Markus siegreich geblieben war. Man gewinnt eben nicht ungestraft gegen einen Heimberger...
Martin gewann gleich noch einmal und holte sich damit einen Kategoriepreis, und das mit nur fünf gespielten Runden! Seine Bilanz kann sich wirklich sehen lassen, denn er gab nur ein einziges Remis ab und gewann alle weiteren. Ich bin schon sehr gespannt, wie er sich weiterentwickeln wird und freue mich schon darauf, in unserer Mannschaft quasi "erste Reihe fußfrei" Zeuge sein zu können.
Markus konnte am Ende der langen Woche zwar nicht mehr so punkten wie bis zur Mitte des Turniers. Doch selbst bei den Verlustpartien sind die Fortschritte zu sehen gewesen.
Thomas und Noah hatten ihre Teilerfolge in dieser ungewohnten Atmosphäre und den erwähnten schwierigen Rahmenbedingungen. Auf ihren weiteren Weg freue ich mich auch schon sehr.
Der Turniersieg ist für mich natürlich ein schöner Erfolg, über den ich mich sehr freue. Mir gelang es, die sieben Runden ohne größere Fehler zu absolvieren, mit der freundlichen Unterstützung meiner Gegner sogar ein paar wirklich schöne und packende Partien zu spielen.
Alles in allem war es ein von den Organisatoren von SV Urfahr gewohnt routiniert und sehr gut abgewickeltes Turnier, das diesmal ohne Corona-Einschränkungen gespielt werden konnte. Vielen merkte man die Freude darüber an. Hoffentlich bleibt die Lage auch so.