Eine Achterbahnfahrt ist bekanntlich nichts für schwache Nerven. Erst geht’s steil nach oben – allerdings mit der Gewissheit, dass der Sturz in die Tiefe folgen wird. Kurvenreich, ein Jaulen und Kreischen, mit dem großen erleichterten Aufatmen zum Schluss.
Nun, nicht alles, was hinkt, ist ein Vergleich. Ein bissl auf und ab ging’s schon, dieses Wochenende in Graz. Ein bissl war’s auch wie eine Achterbahnfahrt. Manchmal macht das Zuschauen, Staunen und Kommentieren mehr Spaß als die rasante Fahrt selbst – das hängt wohl davon ab, ob man sich im Driver-Seat wähnt oder sich als hilflos ausgelieferten Passagier erlebt …
Linz, Freitagmittag. Ein Gutteil des Landesliga-Teams macht sich auf den Weg nach Graz zur Bundesliga. Als Fans. Und nicht, um selbst anzutreten. Das braucht es glücklicherweise nicht. Denn Valentin kann die beste mögliche Aufstellung für alle drei Runden aufbieten: Jakob, Flo, Luki und Reini als verlässliche Stammspieler, dazu Laszlo und Zoltan, die noch etwas Würze (Paprika!) beimischen sollen.

Joachim, Michi, Peter und meinereiner reisen mit der ÖBB gen Süden. Das Schachbrett dominiert den 4er-Tisch, das Match 2 gegen 2 (abwechselndes Ziehen) geht knapp an Peter und Michi. Ankunft in Graz eine Stunde vor Spielbeginn, mit dem Bus geht’s weiter. Das Hotel liegt dem St. Peter Friedhof benachbart. Bleibt nur zu hoffen, dass dort nicht unser BL-Team zu Grabe getragen wird.
Leichtes Schaudern vor dem Beginn der Fahrt mit der Hochschaubahn.
Doch schon der erste Wettkampf ist ganz nach unserem Geschmack. Mit großartigen Leistungen und ein wenig Glück wird der höchste Saisonsieg eingefahren. Und das gegen den zuvor Zweiten in der Tabelle, Gleisdorf. Wow. Schau, wie schön und weit es da hinaufgeht!
Fast alles läuft für uns. Auf Brett 1 ein rasches Remis von Laszlo im Duell der Großmeister – mit Schwarz bei 80 ELO weniger. Kurz danach ein super-schneller Sieg von Reini, dessen Gegner ihm zuerst massives Kopfzerbrechen durch eine völlig symmetrische Stellung beschert, nur um wenig später mit einer ganz anderen
Bescherung aufwarten zu können: Figurenverlust und Aufgabe. Flo spielt eine durch und durch souveräne Partie, lässt nie auch nur den geringsten Zweifel aufkommen. Dann knackt Zoltan als klar besserer Spieler die lange Gegenwehr erfolgreich. Jakob wählt in einer höchst eigenartigen Partie gegen einen GM den Notausgang in die Zugwiederholung, das zweite Remis. Den Kantersieg komplett macht Luki, der sich im Konter aus einer bedenklichen Stellung befreit und das grandiose 5:1 perfekt macht.
In Feierstimmung geht’s in den ersten Abend. Obwohl der Matchsieg rasch eingefahren ist, machen wir uns erst irgendwann zwischen 19 und 20 Uhr auf den Weg zum späten Abendessen beim Wirt am Eck. Der hat eine resolute Wirtin mit tiefergelegter Stimme zu bieten und auch sonst recht schwer Verdauliches. Wer also eine Ausrede für den Rückschlag am Samstag braucht…
Eine erste Vorahnung: Wird der Absturz kommen? Oder schaffen wir es, noch länger da oben zu verweilen?
Für uns Nur-Schauer bringt der zweite Tag erstmals großartiges Ausflugswetter. Wir bleiben definitiv oben unterwegs und vergnügen uns in der City. Der Schlossberg wird bezwungen, Grazer Brezel werden genossen, nackte Bäuche der Sonne entgegengestreckt (nein, Scherz – wir doch nicht!) und auf der Sonnenterrasse Kaffee geschlürft. Jetzt aber die Preisfrage: Kann es sein, dass der durchschnittliche Schachspieler ein Zuviel des Lichts scheut? Wer uns beobachtet hat, könnte durchaus auf diese Idee kommen. Denn letztlich flüchten wir ins dunkle, aber heimelige und gerne von Grazer Schachkolleg*innen bevölkerte „Brot und Spiele“ am Lendplatz.
Zurück im Spiellokal. Das übrigens ebenfalls einen hundertprozentigen Schutz vor natürlichem Licht garantiert, die Grazer Organisator*innen wissen, wo man Schachmatches platziert! Dort werden wir ungewollt Zeugen der höchsten Saisonniederlage unserer Bundesliga-Stars. Der große (unvermeidliche??) Absturz. Feffernitz, die sich nun mit uns um Platz 2 in der Tabelle streiten, ist uns in fast allen Belangen überlegen.
Doch alles der Reihe nach. Auf Brett 1 matchen sich Laszlo und Peter Schreiner auf höchstem Niveau, die Partie verlässt wohl nie die Remisbreite. Ein sensationell aufspielender Jungstar Dotzer macht unserem Jüngsten auf Brett 2 den Garaus. Jakob schickt einen Turm auf Erkundungstour, doch dafür wurden Türme nicht gebaut: ohne Rückweg keine Chance auf Gegenwehr… Flo verzichtet heute auf jegliche Gewinnversuche und gibt sich mit dem sicheren Unentschieden durch Zugwiederholung zufrieden. Zoltan wird von Dierli langsam und qualvoll erledigt, das wirkt schon sehr gediegen, was der Herr GM da mit Turm und ungleichfarbigen Läufern aus einer nur geringfügig besser anmutenden Stellung herausholt. Luki revanchiert sich für das Glück (?!) am Vortag und stellt in klar besserer Position eine Figur ein. Zwar bekommt er einige Bäuerlein dafür, schmeißt dann allerdings wohl aus Unmut über das eigene Versehen Nerven und Partie völlig weg, schade drum. Und Reini landet in einem traurigen Turmendspiel mit Minusbauer, das gegen Schluss klar für den Gegner gewonnen ist. Mit dem letzten Trick und einem äußerst netten Zugzwang-Patt holt Reini zumindest noch ein Remis heraus.
Das Ergebnis ist somit sowas von eindeutig: Feffernitz 4,5 Valentin 1,5. Oje. Das wirft uns kurz ein bisschen aus den Schienen.
Abendliche Frustbewältigung ist angesagt. Ein wohltuend langer Marsch ins Stadtzentrum zum Glockenspielplatz. Wir nehmen wieder Fahrt auf. Dann der Schock:
Vor uns betritt eine größere Gruppe an Burschenschaftern das Lokal. Autsch, eine harte Landung am Boden der Realität. Das Auf- und Durchatmen folgt sogleich: Unser Tisch ist weit weg von denen, gut so. So kann das Unangenehme hintangestellt werden, das Gesellige zelebriert. In anderer Umgebung auf halbem Weg zum Hotel dann sogar mit erfrischender Live-Musik, der Tag geht sehr versöhnlich zu Ende.
Matinee am Sonntag. Styria Graz ist zwar in der Tabelle weit hinter uns, aber keinesfalls zu unterschätzen. Die großspurig verkündete Devise vom neuerlichen Kantersieg – „Juhu, wir lassen es wieder so richtig krachen!“ – ist schon bald vergessen. Das Motto lautet plötzlich: „Wenn doch nur alles gut geht! Bitte, bitte ein Mannschaftssieg!“
Es geht gemach los. Auf Brett 1 ein baldiges ereignisloses Remis, das von Laszlo und seinem ungarischen Kumpel als „boring“ bezeichnet wird (diesen Kommentar würde ich mir nie erlauben!). Jakob spielt eine beeindruckende Partie: originell, spannend, voller ungewohnter Stellungsbilder – mit einem überraschend schnellen Ende zu seinen Gunsten. Die Analyse beweist, dass seine Chancen auch ohne gegnerischen Fehlgriff sehr hoch gewesen wären. Flo kämpft diesmal mit großer Ausdauer und hält ein Turmendspiel mit Minusbauer souverän remis. Zoltan holt aus fast nichts ein Endspiel mit Ambitionen heraus. Und da schafft er wiederum eine ungleiche Verteilung der Freibauern und somit eine Herausforderung, die er glücklicherweise deutlich besser meistert als sein Gegner. Er ist es, der letztlich unseren knappen Teamsieg besiegelt. Luki geht es leider übel im doppelten Wortsinn (innerlich und schachlich). Sein Gegenüber spielt das aber auch recht sicher nach Hause. Eine besondere Freude bereitet uns mitgereisten Taktik-begeisterten Fans diesmal Reini. Er opfert zwei Leichtfiguren für das sichere Dauerschach. Die nachträgliche Analyse mit dem Blechtrottel bestätigt Reinis Entscheidung, lieber doch nicht um jeden Preis auf Gewinn zu spielen, sondern sich mit Dauerschach und Remis zufrieden zu geben.
Puh, das war knapp. Kräftiges Durchschnaufen und Kräftesammeln ist angesagt. Die Fortsetzung, sprich die Vollendung der diesjährigen BL-Saison folgt schon bald: Anfang April ist es in St. Veit/Glan so weit.
Kurzes Resümee aus schachlicher Sicht: Platz drei in der Tabelle ist zumindest vorübergehend gesichert, das lässt sich absolut als großer Erfolg verbuchen. Weitere Ambitionen auf den Meistertitel und Schielen Richtung erste Bundesliga dürfen in Zukunft jedoch getrost unterbleiben. Durch die Niederlage am Samstag haben wir einen zu großen Rückstand auf den Ersten (Gamlitz) aufgerissen.
Wir Fans haben es jedenfalls genossen und sind nach drei intensiven Achterbahn-ähnlichen Tagen etwas müde, aber definitiv unbeschadet und frohen Mutes wieder am Ausgangspunkt unserer Reise, dem Linzer Hauptbahnhof angekommen.
Ergebnisse



Tabelle

Bericht: Klaus Theuretzbacher
Fotos: Peter Kranzl (www.schachunddarts.at), Klaus Theuretzbacher, Joachim Dornauer